Brevets 2009


Erstes Brevet: 200 Kilometer

Für 60 Millionen Euro hätte man etwas mehr Zuwendung erwarten dürfen. Aber nein, der Grenzer nuschelt etwas in sein Funkgerät, und schon kommt das OK von seinem Chef und wir werden durchgewunken. Wir sind Zeitzeugen der größten Polizeifestspiele des Landes Baden-Württembergs anlässich des Nato-Gipfels in Baden-Baden, aber wie so oft fallen für uns nur die Krumen ab: ein dienstbeflissenes Nicken des jungen Einsatzbeamten.

Zweites Brevet: 300 Kilometer

Beim Start wird mir klar, dass es zwei Sorten von Langstreckenradlern gibt: Randonneure mittleren Härtegrades wie ich, die im kühlen Morgenregen stehen und mehr oder weniger klaglos den 300 Tageskilometern entgegensehen. Dann gibt es noch die Hardcore-Version: Leute mit Rädern ohne Gangschaltung, dafür aber mit Starrnabe.

Drittes Brevet: 400 Kilometer

Nach Osterdorf fahren heißt, zum Herz der deutschen Langstreckenszene vorzustoßen. Hier lebt und radelt Karl Weimann, ein Urgestein im Kreis der Randonneure, der mit seinen Brevets nun schon seit zehn Jahren das Letzte aus sich und seinen Artgenossen herausholt. Hier lebt und wirbelt auch seine Frau Heidi, die mit vielen Helfern den zahlreichen Startern einen Empfang bereitet, der über alles hinausgeht, was man im Kreis dieser etwas spröden Szene erwarten könnte.

Viertes Brevet: 600 Kilometer

Vierhundert Kilometer sind noch eine handliche Portion für Radsportler: zweimal zweihundert. Mit den Jahren kennt man seinen Körper und weiß: das ist zu schaffen. Bei sechshundert Kilometern endet die Zuversicht. Es schadet nicht, sich am Vorabend Mut anzutrinken im Kreise dieser liebenswürdigen Menschen, die man für ganz normal halten könnte, würden sie nicht diese merkwürdige Leidenschaft des Langstreckenfahrens mit einem teilen.