Aramon - Lamalou

Dienstag, 26. Juni 2007


Sonnenuntergang am Vorabend Warme Luft des Südens umweht meine Nase, als ich sie um halb sieben morgens aus dem Schlafsack strecke. Aprikosenbäume mit reichlich Fallobst zu meiner Rechten, links von mir eine Hecke, die die Felder vor dem Mistral schützt. Daran angelehnt: mein Rad. Ich blicke zum Himmel: azurblau. Dann kann's ja losgehen.

Gestern abend bin ich nach sechs Stunden Zugfahrt - bis Valence bei Regen - in Avignon angekommen, am TGV-Bahnhof, der wohl eine halbe Radstunde außerhalb liegt. Kurz eingetaucht in das bunte Treiben innerhalb der enormen Stadtmauern, eingekauft und raus aus der Stadt, weiter Richtung Süden, die D 2 entlang des rechten Rhôneufers. Auf einen Campingplatz hoffe ich vergebens, so lasse ich mir in einem Pizza-Service in Aramon meine Flaschen füllen - und fahre ein paar Kilometer raus aufs Land, wo mir ein Palettenstapel in einer Obstplantage als Sitzgelegenheit gerade recht kommt. Ich prüfe, was man mit 1,4 Liter Wasser alles machen kann: Spaghetti kochen, Töpfe spülen, Zähne putzen. Und Kaffee kochen, am nächsten Morgen. Waschen leider nicht... 13° zeigt das Thermometer, nicht gerade üppig für einen Sommermorgen in der Provence. Noch bevor ich Nîmes erreiche, mache ich einen Stopp in Montfrin, besorge in einem dieser kleinen Dorfläden, die bei uns längst der Vergangenheit angehören, den nötigen Reiseproviant. Es ist Markttag hier und ich fahre den Marktplatz einmal auf und ab, nur um einen Blick die Auslagen zu erhaschen und auf die Gesichter dahinter: Gesichter, die in die Provence gehören wie Platanen oder Weinreben. Nichts für Werbeprospekte. Die Route habe ich auf der gestrigen Zugfahrt zurechtgeschustert: von Nîmes in Richtung Pyrenäen, nicht entlang des flachen Küstenstreifens, sondern durchs wellige Hinterland des Hérault. rein ins Herault!Im Grunde, so denke ich mir später, hätte ich mir die Strecke bis Nîmes sparen und bis dorthin den Zug nehmen können. Abgesehen vom Markttreiben in Montfrin kein wirklich prickelnder Abschnitt, zumal im Gegenwind. St. Hippolyte an der D 999 ist einer dieser kleinen Ortschaften, die man ganz nett findet, aber schnell wieder vergisst, würde einen nicht eine junge Frau aufgeregt an den Straßenrand winken: Ob ich ihr helfen kann, eine Waschmaschine zu transportieren? - Meint die wirklich mich? Sie meint mich. Also fasse ich mit an, und helfe ihr dabei, ihre alte Waschmaschine aus einem Geschäft ins Auto zu hieven. Wofür man nicht alles gut ist... Gorges de la Vis

Erst die Gorges de la Vis versetzen mich in bescheidene Urlaubsstimmung. Eine gewundene Straße entlang der Vis, üppiges Grün ringsum, das Ganze umrahmt von Felsgestein. Und endlich ein Anstieg, hoch nach St. Maurice-Navacelles. Malerische Aussichten. Ein einzelner Motorradfahrer mit britischem Kennzeichen zeigt mir den erhobenen Daumen - oho! In der nächsten Kurve, wo er zum Fotoshooting anhält, winke ich ihm zu, beim nächsten Überholmanöver winkt er zurück. Auch solche Motorradfahrer gibt es.

Auf der Hochebene wirft mich der Seitenwind von Norden her fast aus der Bahn. Was willst du hier oben in der Einsamkeit der Berge, faucht er mir ins Ohr. Fahr zum Meer, fahr zum Meer! und versetzt mir einen Stoß nach links. Man muss ihn reden lassen, den alten Irrwisch. Neben der D 25 lese ich ein Schild: Le bout du monde - Ende der Welt - und das bereits am ersten Tag... Dennoch: die D 25 geht weiter, was ich sehr begrüße, da ich hier oben - angesichts des Windes - mein Zelt nicht aufschlagen wollte. Ich passiere Lodève, das eine Art Altar für die Nationalstraße errichtet hat: eine riesige Steinmauer, die den Hang stützt, auf dem die Straße verläuft. auf der D35

Noch einmal folgt eine beschauliche Strecke auf der D 35, inmitten der Mittelgebirgszüge des Hérault, der südlichen Ausläufer der Cévennen. Hübsch und angenehm zu fahren, aber der Gegenwind schlägt mir einmal mehr aufs Gemüt.

Schlussendlich errichte ich mein Zelt in Lamalou, einem Kurort mit Campingplatz, der sich sich seine steinigen Plätze inmitten von Wohnmobilburgen auch vom Randonneur mit 12 € versilbern lässt. Besser hätte ich daran getan, den Feierabend schon früher einzuleiten, auf den Zeltplätzen von La Tour-sur-Orb oder Bédarieux, aber man denkt eben immer, dass noch etwas Besseres nachkommt. Zum Abendessen schallt mir der Fernseher der Nachbarn in die Ohren, die keine Hemmungen haben, ihr Gerät vor ihrem Wohnmobil aufzubauen und ihr Vergnügen an offensichtlich seichten Filmen mit anderen zu teilen. Wagenburgen auf dem Campingplatz von LamalouIch denke an morgen: noch 200 Kilometer bis Tarascon am Fuß der Pyrenäen. Die Aussicht, diese Strecke bei anhaltendem Gegenwind zurückzulegen, ist alles andere als betörend. Wenn nur das Wetter nicht kippt...Eine aus dem Kreis meiner Nachbarn aufgeschnappte Äußerung kommt mir in den Sinn, als ich heute abend neben ihnen mein Gepäck abgeladen habe: Das wär' auch mal was, so mit dem Rad zu verreisen.... Und es entspinnt sich eines dieser Gespräche, die man führt, wenn man wortlos vor seinem Zelt sitzt und an seinem Becher Wein nippt. Ich stelle mich vor dem Menschen auf, blicke ihm in die Augen, schüttle meinen Kopf und sage traurig: Das ist leider nichts für dich. Dann ist es Zeit, schlafen zu gehen.

 

Strecke:

184 km

Zeit:

8:22 h

Schnitt:

22,0 km/h

Höhendifferenz:

1536 m

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