Bosjean - Lyon

Donnerstag, 14. Februar 2019


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Kaum hat sich der Ehemann unserer Gastgeberin, ein französischer Angestellter kurz vor dem Ruhestand, auf den Weg zur Arbeit gemacht, zieht sie über ihn schonungslos vom Leder. Wie ein mürrischer Pascha saß er am Frühstückstisch und ließ sich von ihr die Brote schmieren und den Kaffee servieren, während er uns über die Mühsal seines Broterwerbs im Bankengeschäft aufklärte. Bei seiner Frau scheint er damit nicht zu punkten. Die eingangs großzügig übergangene fünfte Säule des Lebens, die die zwischenmenschlichen Beziehungen vor dem Einsturz bewahrt, scheint bei ihr nicht nur zu bröckeln, sondern in Trümmern zu liegen.

Ihre Jugend hat sie in Lyon verbracht und auf einem Stadtplan zeigt sie uns die angesagten Viertel und Sehenswürdigkeiten dieser Stadt. weiße LandschaftSchließlich begleitet sie uns hinaus und steht in dünner Jacke, ihr Kind an sich gedrückt, lange an der Tür, während wir unsere Räder abfahrbereit machen. Sie wird sich den Tod holen hier draußen, nur aufgrund der asiatischen Gastfreundschaft. Beide winken uns zum Abschied, während wir über den Kies der Hofeinfahrt auf die Straße einbiegen.

Wir fahren in den ersten Stunden des Tages durch bezaubernde Weidelandschaften, die vom Nachtfrost wie von Künstlerhand überzogen sind. Die Temperaturen liegen entsprechend deutlich unter null Grad – die Schönheit hat ihren Preis.

MorgenkälteHatten wir es bisher vorwiegend mit kleinen und kleinsten Straßen zu tun, so fällt die die D12 hinter Louhans deutlich aus dem Rahmen. Wir sind nicht gewillt, als Beiwerk für den Berufs- und Lieferverkehr herzuhalten, und so verlassen wir bei nächster Gelegenheit die geplante Route und schwenken rechts ab ins Hinterland, das sich zwar als wunderbar verkehrsarm, aber topographisch eher unruhig erweist.

In Pont-de-Veyle ist es merkwürdigerweise recht schwierig, zur besten Essenszeit überhaupt ein Etablissement zu finden. Am Ende einigen wir uns auf einen Imbiss am Ortseingang. Neben Klempnern und Fließenlegern im Blaumann sitzen wir an den Tischen draußen in der prallen Sonne – ein Umstand, der die bescheidene Qualität des Essens durchaus wettmacht. Die Füße nehmen wieder die einem Warmblütler zustehende Temperatur an.

Uns bleiben nach dieser Pause noch 60 Kilometer bis Lyon, 60 Kilometer in wohltuendem Sonnenschein, der vom Asphalt der kleinen Nebenstraßen abzustrahlen beginnt. Der Nachmittag verfliegt im Nu, Lyon kommt näher und näher und es ist fast nicht zu glauben, dass der Verkehr nicht in gleichem Maße zunimmt. Dann, fast überraschend, stoßen wir auf die Saône. Breit stömt sie nach Süden und in ihrer ruhigen Oberfläche spiegeln sich die Bauwerke und Brücken der Stadt am Zusammenfluss von Rhône und Saône.

Die Fahrt zu unserem Hotel ist unerwartet stressfrei zu bewältigen. Lyon ist allem Anschein aufrichtig um eine brauchbare Radinfrastruktur bemüht. Bis kurz vor unserem Hotel folgen wir dem Flusslauf und den ihn begleitenden Promenaden und Radwegen, dann allerdings verheddern wir uns im Straßengewühl und dem Feierabendverkehr.

Wäre es nicht geradezu unsere Pflicht, abends noch ins Zentrum zu gehen und wenigstens einen Teil der Sehenswürdigkeiten Lyons in Augenschein zu nehmen, um sagen zu können: Wir waren da? Mit dem einsetzenden Sonnenuntergang verwerfen wir diese Zumutung. Jetzt nochmal aufs Rad, in der Kälte der Nacht? Uns unter die flatterhaften Menschenmengen mischen, die in ihrer Leichtgläubigkeit nichts davon ahnen, dass ihre Tage - was auch immer passiert - gezählt sind? Lyon am AbendAn diesem Punkt treten wir mit Bedacht einen Schritt zurück und lassen auf den Gassen und Chausseen Lyons jenen Besuchern den Vortritt, die wegen der Stadt gekommen sind und nicht wegen des Weges dorthin. So bleiben die Räder an diesem Abend im Hotelzimmer, während sich ihre Besitzer in einem Restaurant in der Nachbarschaft die Bäuche vollschlagen.

Am nächsten Tag werden wir auf dem Weg zum Bahnhof die schmucken Innenstadtviertel queren und zumindest eine Ahnung davon bekommen, was diese Stadt für ihre Besucher attraktiv macht. Das sind vorneweg die verhältnismäßig gepflegten Radwege und – so will mir scheinen – eine grüne Welle für die Velos. Lyon, InnenstadtEntsprechend werden wir an diesem Februarmorgen beileibe nicht die Einzigen sein, die mit diesem Verkehrsmittel durch die sehenswerten Altstadtgassen fahren. Wir werden erleben, wie vor uns ein Auto aus dem morgendlichen Verkehrsstrom ausschert und am Straßenrand hält, wie ein Mann mittleren Alters herausspringt, nur um uns zu fragen, woher wir mit unserem Gepäck kommen und wohin wir zu fahren gedenken. Wir werden ihm antworten müssen, dass es nur bis zum Bahnhof geht. Nach dieser Auskunft und einer sich anschließenden kurzen Konversation wird er wieder in sein Auto springen und sich im Berufsverkehr einreihen und ich die Gewissheit haben, dass wir seinen Tag bereichert haben. Neben all diesen Dingen hat Lyon eine große Auswahl an historischen Baudenkmälern, wie es einer Stadt, die als Weltkulturerbe geadelt wurde, zusteht. Diese werden wir möglicherweise beim nächsten Mal besichtigen. Vorausgesetzt, der Komet hat bis dahin nicht alles in Schutt und Asche gelegt. Eigentlich wär‘s schade drum, aber das ist meine persönliche Meinung. Andere können davon selbstverständlich auch abweichen.

Strecke:

143 km

Höhendifferenz:

600 m

Fahrzeit:

6:29 h

Schnitt:

22,1 km/h

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