Baden-Baden, 4. April 2009, 7.00 Uhr
Für 60 Millionen Euro hätte man etwas mehr Zuwendung erwarten dürfen. Aber nein, der Grenzer nuschelt etwas in sein Funkgerät, und schon kommt das OK von seinem Chef und wir werden durchgewunken. Wir sind Zeitzeugen der größten Polizeifestspiele des Landes Baden-Württembergs anlässich des Nato-Gipfels in Baden-Baden, aber wie so oft fallen für uns nur die Krumen ab: ein dienstbeflissenes Nicken des jungen Einsatzbeamten. Das war's, gut zwanzig Randonneure pedalieren über die Grenze, ohne dass wenigstens eine Trinkflasche auf verdächtige Substanzen kontrolliert worden wäre.
Startort dieses 200-km-Brevets ist Steinbach bei Baden-Baden, am ersten Samstag im April, nicht wirklich früh im Jahr, aber nach dem langen Winter befinden sich die Beine noch halb im Winterschlaf, und mir kommt es gelegen, dass ein gemächliches Tempo angeschlagen wird. Das lässt Raum für Gespräche und neugierig bin ich allemal, denn während die Mächtigen der Welt in Baden-Baden ihre gesammelten Weisheiten zum Besten geben, fahre ich mein erstes Brevet auf deutschem Boden und da möchte man ja wissen, mit wem man es zu tun hat. Ich stelle fest: eine Gruppe freundlicher Herren überwiegend mittleren Alters umgibt mich, dazwischen, auf einem Tandem, eine der wenigen tapferen Frauen in dieser Männerdomäne. Alle wohlgesittet, keiner vermummt, geschminkt oder mit einem Transparent größer als 3 Meter unterwegs - so scheint dem weiteren Vorankommen durch die Vogesenausläufer und der südlichen Pfalz nur wenig entgegenzustehen.
Tatsächlich rollen wir störungsfrei bis Hochfelden. Jörg Linder, der Organisator drückt uns nach 60 Kilometern seinen Stempel auf die Kärtchen, während ich mir schon mal prophylaktisch eine Banane in den Mund drücke. Aufgesessen und weiter geht's, Richtung Norden, über welliges, zunehmend dünner besiedeltes Land hinein über die grüne Grenze in den Pfälzer Wald. Ich freue mich darauf, diese Gegend mit dem Rad zu erkunden, kenne ich sie doch aus früheren Tagen als verkehrsarm und sehr idyllisch. Was ich vergessen hatte: die bizarren Felsformationen. Schroffe Blöcke, wie Mahnmäler des Zerfalls auf die Bergspitzen gesetzt, umgeben von Wald. Du lieber Gott, denkt man unwillkürlich, wer macht sich denn solche Mühe... Aber die Natur als solche ist ebenfalls tüchtig, nicht nur der Radfahrer.
Kurz vor Dahn gibt es einen von uns, den man Gerd nennt, der den gemütlichen Teil beendet. Es ist warm geworden, die 20-Grad-Marke ist überschritten, die Winterstarre fällt allmählich von den Beinen ab, und so stürze ich mich hinterher, schnurstracks nach Dahn - nächste Kontrolle und Flaschenfüllen.
Die Route führt zurück in Richtung Karlsruhe, das wir über kleine Ortschaften hindurch östlich umfahren, erneut passieren wir die französische Grenze und auch hier gibt es nichts, was der Erwähnung wert wäre. Die Einsatzbeamten sind müde vom vielen Einsatz und auch wir sind allmählich müde vom vielen Treten. Zu fünft sind wir nun unterwegs: Urban Hilpert, Markus Decker - die beiden anderen Freiburger -, ein Axel aus Karlsruhe und der Mann, den man Gerd nennt. Bei Rastatt kehren wir unbehelligt zurück ins bombensichere Baden-Württemberg. Ein harter Wind bläst vom Süden, macht nun wie schon um Karlsruhe herum die letzten zwei Dutzend der 230 Gesamtkilometer zur Herausforderung, aber die Wechsel an der Spitze unserer kleinen zivilen Kampfeinheit klappen wie am Schnürchen.
Zusammengerechnet haben all die sonnigen Gemüter, die sich nach und nach in Steinbach zurückmelden, an diesem Tag wohl knapp fünftausend Kilometer abgespult - etwa das Doppelte dessen, was unsere Bundeskanzlerin, die tags zuvor im benachbarten Straßburg weilte, über Nacht zurückgelegt hat - im Airbus. Sie übernachte lieber in ihrem eigenen Bett in Berlin, wie zu vernehmen war. War ja auch ein Nato-Gipfel und kein Klimagipfel.
Strecke |
230 km |
Höhenmeter |
810 |
Fahrzeit |
7:42 h |
Schnitt |
29,9 km/h |
Gesamtzeit |
8:25 h |